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Küchenaquaponik als Erstversuch - Druckversion

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Küchenaquaponik als Erstversuch - Jonas - 23.05.2015

Hallo Aquaponer,

ich bin neu hier im Forum und möchte mich kurz vorstellen. Mein Name ist Jonas, ich wohne mitten in München und versuche mich an meinem ersten Aquaponic-System.

Es handelt sich um ein kleines System mit 50 Liter Wasser und ziemlich genau der gleichen Menge an Blähton. Es ist ein Ebbe und Flut System mit Timersteuerung. Wasserheizer, Pflanzenlicht und Belüftung sind ebenfalls dabei.

Momentan fahre ich den Systemstart seit Anfang Mai, noch ohne Fische. Wassertemperatur ist laut Heizer bei 25 Grad, damit es die Bakterien schön kuschelig haben. Um den 9. und 10. Tag herum hatte ich einen ziemlichen Spike im Nitrit gemessen, der nach ein paar Tagen herunter ging. Irgendwann kam mir die Menge an Ammonium komisch vor (ich hatte Angst, den Tröpfchentest von Dom überlastet zu haben) und habe einen partiellen Wasseraustausch durchgeführt.

Ich muss aber gestehen, dass ich nach wie vor Probleme habe, die Farben des Tests zu interpretieren. Ich messe für NH3/NH4 einen leichten Blauton, den es aber so nirgends auf der Skala gibt. Es gibt leichte Grüntöne, und dunklere Blautöne.

Zum Systemstart habe ich Anfangs täglich 1 Teelöffel von Doms Harnstoff (das klingt jetzt komischer als es sein soll) in das Wasser gekippt. Ist das zu viel oder zu wenig?

Jetzt gebe ich seit ein paar Tagen gar keinen Harnstoff mehr dazu und warte darauf, dass die seltsame blaue Farbe verschwindet.. Nitrit ist nicht mehr messbar und Nitrat nur sehr wenig. Ein paar Pflänzchen sind bereits im System, die könnten theoretisch den Nitratgehalt gering halten.

Jedenfalls will ich jetzt bald mal Fische einsetzen, ich hoffe der Biofilter tut soweit. Ich hätte an Goldfische gedacht, weil 50 l doch etwas wenig sind für Tilapien.
Klingt die Wahl von Goldfischen vernünftig? Wie viele kann ich in dem kleinen System überhaupt einsetzen, zwei Stück?

Freue mich über Antworten, auf dieses Forum und auf die Fische :-)

Viele Grüße und Danke
Jonas


RE: Küchenaquaponik als Erstversuch - inactive_member - 23.05.2015

(23.05.2015, 14:04 )Jonas schrieb: Zum Systemstart habe ich Anfangs täglich 1 Teelöffel von Doms Harnstoff (das klingt jetzt komischer als es sein soll) in das Wasser gekippt. Ist das zu viel oder zu wenig?

Das ist VIEL ZUVIEL!
In deinem Fall wäre es ungefähr richtig gewesen einen viertel Teelöffel auf einen Liter Wasser geben. Von dieser Lösung dann kommen täglich 1-2 ml auf die 50 Liter Wasser.
Ich habe auch den Test von Dom, die Farben sind schon so wie auf der Farbtafel.
Für das Einlaufen sollte der NH Wert bis max. 0,8 gehen. Ich würde an deiner Stelle 100% des Wassers wechseln und mich langsam an einen richtigen Startwert annähern.
Wichtig zu wissen ist, dass der NH Wert erst nach 3-4 Tagen messbar ist. Warum das so ist weiß ich nicht, er kommt aber verzögert.

Viele Grüße
Jonathan

PS: herzlich willkommen im Forum


RE: Küchenaquaponik als Erstversuch - Jonas - 23.05.2015

Wow. Danke für die Antwort. Das hab ich ja mal sauber verbockt.
Ok, ich nehme mal folgendes mit:
- NH Wert kommt verspätet
- Harnstoff kommt bereits als Lösung ins Wasser
- Diese Lösung ist haltbar

Wie könnte ich denn diese Werte rechnen? Wie kommst du auf einen viertel Teelöffel pro Liter Wasser, und wie auf 1-2 ml für 50 l Wasser?

Dann mache ich mal den Wasserwechsel, evtl stimmen danach die Farben wieder.

Muchas Gracias
Jonas


RE: Küchenaquaponik als Erstversuch - inactive_member - 26.05.2015

Bei der Dosierung habe ich mich an diesem Post von Dom orientiert und das grob auf das geringere Volumen umgerechnet...
Ich habe auch einige Zeit gesucht, bis ich die richtige Dosierung gefunden habe.

Kennst du evtl. jemanden, der ein Aquarium hat? Evtl. könntest du so an etwas eingelaufenes Filtermaterial kommen.
Den Nitratwert brauchst du erst messen, wenn der Nitritpeak vorbei ist, der Nitrattest aus Doms Wassertests arbeitet so, dass das Pulver (Reagenz 1) Nitrat zu Nitrit reduziert, das dann gemessen wird. (die Inhaltsstoffe von Reagenz 2+3 sind die selben wie die im Nitrittest).


RE: Küchenaquaponik als Erstversuch - Jonas - 30.05.2015

Danke Jonathan, das hilft weiter. Ich war jetzt ein paar Tage nicht zuhause, in der Zwischenzeit hat sich das System nach dem Wasserwechsel so weit eingeschwungen, dass der Test von Dom wieder Werte anzeigt, die man anhand der Farbskala ablesen kann. Demnach liege ich momentan bei 0.8.

Ich hatte ja schon mal einen Nitritpeak, ist es möglich dass ich mir durch die Überdosierung mit Harnstoff den bis dahin existierenden Filter zerschossen habe?

Ich schätze, das werde ich in ca einer Woche rausfinden - je nachdem ob nochmal ein Peak kommt oder nicht.


RE: Küchenaquaponik als Erstversuch - jjacoo - 30.05.2015

Ich denke nicht das du dir den Filter so zerschießen kannst.
Meiner Meinung nach müssen die Bakterienstämme das viele Nitrit einfach noch in Nitrat verwursteln.
Das dauert halt ne Weile.
Die entsprechenden Bakterien vermehren sich meines Wissens nach entsprechend der vorhandenen Nahrung (Nitrit)
so das sich das ganze einpegelt und du dann ordentlich Bakterienstämme im Filter haben solltest.
Bitte korrigiert mich wenn ich hier Mist schreibe, bin aber ziemlich sicher, dass das passt.


RE: Küchenaquaponik als Erstversuch - Jonas - 30.05.2015

Hey jjacoo,

danke, ich hoffe tatsächlich dass du keinen Mist schreibst ;-) Das würde ganz gut in mein Konzept passen.

Kann die Leistungsfähigkeit eines Filters eigentlich daran gemessen werden, wie schnell Ammonium verstoffwechselt wird? So nach dem Motto "Ein guter Biofilter schafft 1 mg/l pro Tag"?


RE: Küchenaquaponik als Erstversuch - jjacoo - 30.05.2015

Ammonium wird auch im Wasser bei ausreichend Sauerstoff zu Nitrit oxydiert. Ich denke nicht, dass das Rückschlüsse auf den Filter zulässt. Wenn dann eher wie schnell Nitrit in Nitrat umgewandelt wird.
Eine Faustformel wieviel da ein gut eingefahrener Filter packt kenn ich da aber nicht.


RE: Küchenaquaponik als Erstversuch - tuna - 31.05.2015

(30.05.2015, 10:39 )jjacoo schrieb: Ich denke nicht das du dir den Filter so zerschießen kannst.

Das stimmt so nicht so ganz. Ein Biofilter ist eine filigran ausbalancierte Lebensgemeinschaft aus hunderten von Bakterien- Pilz- und Protozoen-Arten. Alle Arten haben ihren ganz eigenen Optimalbereich (= alles perfekt) und Toleranzbereich (= gerade noch lebensfähig). Wenn sich die wichtigen Parameter, v.a. Temperatur, pH, Sauerstoff und Nährstoffe stark ins Negative verändern, kann ein Biofilter innerhalb kürzester Zeit komplett in die Knie gehen. D.h. der zugeführte Stickstoff wird plötzlich nicht mehr abgebaut.
Gerade auch ein Überangebot von Nährstoffen hemmt einen Biofilter sehr stark! Der berüchtigte "Nitritstau" beim Einfahren eines Biofilters ist ein solches Beispiel: Ammonium wird in der ersten Stufe sehr schnell zu Nitrit oxidiert. Da die zweite Bakterien-Stufe (Nitrit zu Nitrat) aber viel langsamer arbeitet, staut sich das frisch produzierte Nitrit erst mal an. Das gefährliche dabei ist aber: zu viel Nitrit hemmt grundsätzlich das Bakterienwachstum der zweiten Stufe, d.h. die Bakterien haben eigentlich genug Substrat, das sie oxidieren könnten, werden aber gleichzeitig durch das Substrat "vergiftet". Ein Teufelskreis entsteht: immer mehr Nitrit wird gebildet, das gleichzeitig immer stärker die Bakterien hemmt, die es eigentlich abbauen sollen.
Das ist der Grund, warum man einen Biofilter recht langsam und nur mit allmählich steigender Nährstoffkonzentration einfahren sollte.


RE: Küchenaquaponik als Erstversuch - tuna - 31.05.2015

(30.05.2015, 21:45 )Jonas schrieb: Kann die Leistungsfähigkeit eines Filters eigentlich daran gemessen werden, wie schnell Ammonium verstoffwechselt wird? So nach dem Motto "Ein guter Biofilter schafft 1 mg/l pro Tag"?

Klar, die Hersteller der Plastik-Füllkörper, die als Biocarrier in den Biofiltern eingesetzt werden, geben meistens einige grundlegende Eckdaten an. Ein wichtiger Faktor ist die "Aktive Oberfläche", d.h. die Fläche, die von Bakterien besiedelt werden kann. Ein Kubikmeter der moderneren Biocarrier kann eine aktive Oberfläche von mehreren hundert Quadratmetern haben!
Oft wird auch schon direkt eine Abbauleistung angegeben. Die sagt mir dann, wieviel Gramm Futter ich pro Liter Füllkörper zugeben, kann, so dass mir der Stickstoff komplett abgebaut wird. Ein Beispiel auf die Schnelle:

http://koipalace.net/file-download/Kaldnes.pdf


RE: Küchenaquaponik als Erstversuch - Jonas - 31.05.2015

Hi zusammen,

vielen Dank für die Infos.
@Tuna: Danke auch für den Link, da scheint es tatsächlich um Fläche und Futtermengen zu gehen. Ich bin nur nicht sicher, dass man das während des Systemstarts als Kriterium heranziehen kann - ich würde z.B. durch die Umwandlungsgeschwindigkeit (Sei es Ammonium in Nitrit oder Nitrit in Nitrat) gerne die Güte meines Biofilters messen, bevor ich Fische reinwerfe. Die Fläche meines Biofilters ist während des Systemstarts ja konstant, nur die Leistungsfähigkeit (hoffentlich) nicht.

Jedenfalls scheine ich meinen Filter nicht komplett zerstört zu haben. Nach dem kompletten Wasserwechsel, der ein paar Tage her ist, gebe ich seit gestern nach den Dosierungstips von Jonathan verdünnten Harnstoff ins System. Heute messe ich
0.3 NH3+NH4
1.0 NO2 (interpoliert)
15.0 NO3 (interpoliert)

Ein paar Nitrospira scheinen also überlebt zu haben, wenn ich das recht verstehe, denn nicht nur Nitrit geht hoch, sondern auch das Nitrat.

Mein Plan wäre, das noch ein paar Tage zu beobachten, und dann mal zwei Goldfische einzusetzen, sobald bei der gleichen Dosis Harnstoff nur noch Nitrat messbar ist.

Bin mir bei der Menge der Fische aber noch nicht sicher. Als Faustformel kenne ich 40kg Fisch / 1000 l => 2kg Fisch / 50 l

Das bezieht sich vermutlich auf den ausgewachsenen Fisch, nicht auf das Gewicht des Fingerlings, nehme ich an. Wie schwer wird so ein Goldfisch? 500g? Demnach könnte ich vier Stück in meine 50l einsetzen, ist das korrekt?


RE: Küchenaquaponik als Erstversuch - MayFlower - 31.05.2015

Ob das bezüglich deines Filters hinkommt, kann ich nicht sagen.
Aber denke auch bitte an das Platzbedürfnis der Tiere. Die Zahlen von kg Fisch/Liter gelten erst ab einer gewissen Beckengröße und lassen sich nicht auf kleine Becken anwenden. In ein 50-Liter-Becken würde ich nicht mal einen einzigen Fisch mit 500 g setzen. Die Nachzügler, die ich dieses Jahr überwintert habe, hatten immerhin schon über 200 g, selbst die hätten sich auch einzeln darin kaum drehen können.

Chris


RE: Küchenaquaponik als Erstversuch - inactive_member - 01.06.2015

(31.05.2015, 12:59 )Jonas schrieb: Heute messe ich
0.3 NH3+NH4
1.0 NO2 (interpoliert)
15.0 NO3 (interpoliert)

Das meinte ich mit
(26.05.2015, 13:55 )Jonathan schrieb: Den Nitratwert brauchst du erst messen, wenn der Nitritpeak vorbei ist, der Nitrattest aus Doms Wassertests arbeitet so, dass das Pulver (Reagenz 1) Nitrat zu Nitrit reduziert, das dann gemessen wird. (die Inhaltsstoffe von Reagenz 2+3 sind die selben wie die im Nitrittest).

Um den Nitratwert korrekt zu lesen müsstest du den Nitritanteil abziehen. Nitrat wird indirekt gemessen, indem es in Nitrit umgewandelt wird. Der Test Nitrattest schlägt nur auf Nitrit an - dieses ist durch die Reduktion von Nitrat auf Nitrit entstanden (das macht das Pulver im Nitrattest (Reagenz 1)).
Befindet sich von vorn herein Nitrit im System wird der Nitrattest auch darauf anschlagen.
Die Anzeige des Nitrattests kann man erst 1:1 ablesen, wenn kein Nitrit mehr vorhanden ist.
Ich weiß nicht ob das verständlich ist, wenn nicht sagen, dann versuche ich es nochmal zu erklären.

Unabhängig davon: wenn dein Nitrit schon bei 1,0 ist solltest du erstmal keinen Harnstoff mehr zugeben, bis der Nitritwert wieder sinkt.

Viele Grüße
Jonathan


RE: Küchenaquaponik als Erstversuch - Jonas - 02.06.2015

Doch, jetzt hab ich's verstanden, Jonathan, danke dir.

Der Nitrattest misst also in Wirklichkeit die Summe aus vorhandenem Nitrat und Nitrit. Wenn ich die beiden auseinander halten wollte, müsste ich also genau wissen, wieviel des gemessenen Nitrats aus dem bereits gemessenen Nitrit kommt. Da das aber recht aufwendig klingt, lasse ich lieber erstmal den Nitrit Peak vorbeigehen :-)

@Mayflower: Ja, das ist wohl das Problem, wenn man die Menge an Fischen schlichtweg als Masse ausdrückt. Ich habe auch nicht vor, mir große Goldfische reinzusetzen, sondern eher Fingerlinge. Ich will die Tierchen ja nicht zu stark einschränken.

Also vielleicht erst mal zwei Fingerlinge, sobald ich neben den biochemischen Voraussetzungen auch die mechanischen Probleme gelöst habe.